Reparaturparadigma
Die modernen Managementlehren mit bestens ausgebildeten Spezialisten, jung, dynamisch und erfolgshungrig mit einem namhaften Firmennamen auf der Visitenkarte: Sie werden auf mittelständische Organisationen losgelassen und agieren im Sinne eines Reparaturparadigmas.
Sie suchen und finden ein ausreichend großes Problem und meinen, es würde genügen, wenn man repariert.
Ja, wenn Sie eben die Vorstellung haben, dass eine Organisation, und das wird einem im Studium und bei den großen Beratungskonzernen auch so vermittelt, ein Mechanismus ist, bei dem etwas defekt ist, dann glaubt man, diese Ansammlung von Menschen in einer Organisation als Objekt sehen zu können, bei dem quasi eine Stellschraube verändert werden muss.
Beziehungsarbeit
Gleichwohl erleben wir schon eine Übermacht der rein technischen Betrachtung – bis hin zum Glauben an KI (Künstliche Intelligenz) als Heilsbringer für alle Probleme.
Wir können als Coach oder Berater nur dann wirklich helfen, wenn wir nicht nur in zweckrationalem Denken uns verfangen, sondern indem wir unsere Tätigkeit auch als eine notwendige Beziehungsarbeit begreifen. Das ist absolut notwendig. Wir müssen den anderen verstehen.
Nur wenn wir – zum Beispiel eine Führungskraft, die neu in diese Rolle geschlüpft ist - verstanden haben in seiner Personalität, in seiner Unverwechselbarkeit, dann werden wir ihm auch wirklich helfen können.
Was einen externen Berater ausmacht
Jemand, der sehr viel kann, aber zugleich auch jemand ist, nämlich eine Persönlichkeit, die die Belange des suchenden Menschen ernst nimmt, die sich dafür interessiert, die aufmerksam ist, die auch mitfühlen kann. Und dann eben in die Richtung geht, die für den Menschen, ein Team oder ein gesamtes Unternehmen richtig ist.
Also wenn ich zum Beispiel eine Firma analysiere und ich muss dem Firmenchef oder der Inhaberfamilie sagen, dass die Kosten aus dem Ruder laufen und Personalkürzungen unvermeidlich sind.
Was bedeutet das? Da kann ich nicht sagen, ja, das machen wir jetzt und dann ist alles gut. Oder da machen wir jetzt eine Umstrukturierung und dann ist alles gut. Nein, also allein diese Analyse verändert.
Verändert Bewusstsein, verändert Selbstbild. Welche Gedanken kreisen dann in der Unternehmerfamilie, welche Ängste machen sich breit, vielleicht kommt es sogar zu Schuldzuweisungen – manchmal tief aus der Vergangenheit.
Führung als Coaching
Sie müssen aufmerksam sein können. Sie müssen zuhören können. Wenn Sie das nicht können, dann können Sie Ihre Mitarbeiter, Ihr Team nicht weiterentwickeln.
Weil das Zuhören ist, finde ich, die zentrale Leistung von Chefs, Führungskräften und externen Beratern. Weil nur über das Zuhören können Sie der anderen Person vermitteln, dass Sie sie ernst nehmen und dass sie als Individuum gesehen wird. Aber auch, dass Sie durch die Geduld, die beim Zuhören mitenthalten ist, signalisieren, Sie lassen sie nicht im Stich.
Sie bleiben dabei. Und dadurch entsteht ein gutes Gespräch.
Gute Gespräche
Ich finde es ganz interessant, weil wir glauben und sagen es auch: Ein Mitarbeiter-Gespräch ist die wichtigste Interaktion. Aber sind wir wirklich sicher, dass das heutige Konzept von Mitarbeiter-Gesprächen, wie man sie oft findet, gar nicht den Namen Gespräch verdient.
Warum? Wir reduzieren das Gespräch auf das Einholen von Informationen. Wir fragen Leistungen ab, bewerten Erfolge, machen auf Fehler aufmerksam und tragen alles in Listen ein – zumeist digital – und erwarten dann ein Ergebnis (wenn geht mit KI-Unterstützung). Das ist vielleicht auch wichtig. Aber der eigentliche Sinn des Gesprächs liegt nicht darin, einfach Informationen abzufragen, sondern im Sprechen mit dem anderen, und so auch unsere deutsche Sprache, wir sprechen mit jemand anderem, etwas Gemeinschaftliches zu verwirklichen, wodurch eine Beziehung entstehen kann.
Das Gespräch ist die Chance, eine Beziehung zu etablieren, bestenfalls eine Vertrauensbeziehung zu ermöglichen. Und diese Beziehungserfahrung, die Erfahrung, dass da zwei Menschen miteinander reden und auf diese Weise etwas Gemeinschaftliches machen, diese Beziehung kann dann motivierend sein.
Wenn Sie das Gefühl haben, der andere interessiert sich wirklich dafür, und Sie können einfach nur erzählen, dann sind Sie hinterher erleichtert, beruhigt und auch motiviert, wieder Neues anzupacken oder Situation, die unausweichlich sind leichter zu aktzeptieren. Und Sie haben das Gefühl, dass Sie das teilen konnten. Wir sagen das auch, mitteilen, in dem Sinne, als wir mit dem anderen etwas teilen können, wenn wir wirklich sprechen.
Das ist eine Riesenchance, jedes Mitarbeiter-Gespräch. Man sollte es nicht als ein Verhör ansehen, sondern als Einstieg in eine neue Beziehung.
Zeitdruck oder Geduld
Die Geduld ist im Grunde etwas Negatives. Aber das ist ein Irrtum, anzunehmen, dass die Geduld, wie wir heute in den durchgetakteten Prozessen moderner Unternehmen eigentlich wahrnehmen, eher ein Störfaktor ist.
Das ist ein Irrtum. Die Geduld ist eine zentrale Tugend für jede Form der Führung, weil sie in Ungeduld nicht helfen kann. Wenn sie ungeduldig sind, werden sie nicht verstehen.
Das beste Beispiel ist hier die Kindererziehung: Mit Ungeduld erreichen Sie bei Kindern nur Abwehr, später Opposition und Verweigerung.
Der aktuelle Terminkalender ist durchgetaktet und auf Tempo (unter dem Deckmantel der Effizienz) getrimmt. Was ein Widersinn ist. Wenn sie unter Zeitdruck zuhören müssen, werden sie unterbrechen.
Und wenn sie unterbrechen, ist das quasi das Signal, das, was ich zu sagen habe, ist wichtiger als das, was du jetzt gerade sagst. Deswegen müssen wir noch mal anerkennen, was diese Zuhörleistung bedeutet. Es bedeutet dem anderen, ein Anerkennungsverhältnis zu zollen.
Ich erkenne dich an als eine Person, die etwas zu sagen hat. Und von der ich mir etwas sagen lasse in diesem Moment. Eine Person, bei der ich zum Ausdruck bringe, allein durch das Zuhören, dass das, was Sie jetzt sagen wollen, bedeutsam ist.
Dass es wichtig ist. Wenn wir keine Zeit haben dürfen für die Gespräche, für das Zuhören, für das sich Zuwenden, dann hat die andere Person das Gefühl, dass sie tatsächlich nur eine Nummer ist. Die gar nicht gesehen wird.
Die gar nicht als Individuum wahrgenommen wird. Und fühlt sich demoralisiert. Das Zentrale des Zuhörens und auch des Sprechens ist, dass wir auf diese Weise dem anderen eine neue Form der Selbstachtung vermitteln können.
Indem wir auf diese Weise, indem wir zuhören, vermitteln, wichtig ist das, was du jetzt sagst. Dadurch empfindet sich die andere Person selbst als wichtig. Als neu geschätzt.
Konzepte vom Fließband
Viele, sehr erfolgreiche Beratungskonzerne begreifen auch Consulting im Grunde als eine Durchschleusungsdisziplin. Bei der die Abläufe strikt vorgegeben sind. Und Firmen wie in einer Fabrik fließbandartig abgefertigt werden sollen.
Die Ertragslage dieser Konzerne zeigt, dass es erfolgreich sein kann – für die großen Consulting-Netzwerke.
Das ist ein falsches Denken. Wir müssen anerkennen, dass Beratung und insbesondere Coaching grundsätzlich damit zu tun hat, dass hier Sachlichkeit und Zwischenmenschlichkeit zusammengeführt werden müssen. Ohne dieses Zwischenmenschliche können Sie nicht wirklich anderen helfen.
Das muss man neu aufwerten und dafür sensibilisieren, dass sich das zwischen 2 Menschen etwas ereignet. Wenn Sie ein Problem haben vielleicht sogar in einer Krise stecken, dann wollen Sie nicht von irgendeiner KI analysiert und vorgeführt werden, sondern von einem Menschen, der Sie versteht. Einem Menschen, der Verständnis hat, der aber auch die Fähigkeit hat, durch dieses Verständnis auch die eigene Angst zu nehmen.
Wie Vertrauen entsteht
Das Vertrauen ist nicht etwas, was ich allein über Zahlen generieren kann. Wenn die Zahlen nicht stimmen, hat man eine Schwierigkeit, Vertrauen zu können. Durch Zahlen, die gut sind, entsteht per se kein Vertrauen, sondern eine Grundbereitschaft.
Das Vertrauen ist etwas, was sich in der Interaktion erst einstellt. Wenn Sie mit einem Menschen zu tun haben, entsteht das sehr schnell. Wenn Sie ein Vertrauensverhältnis gestiftet haben, dann ist es so, wie wenn 2 Menschen ein Bündnis geschmiedet hätten.
Ein Bündnis, das trägt, wo sie überall hin gemeinsam gehen können. Aber wenn Sie beim Mitarbeiter-Gespräch, ei Ihrer Erreichbarkeit, bei konstruktiven Meetings schon Zeit sparen wollen, dann entsteht dieses Bündnis nicht. Dann gehen Sie losgelöst voneinander oft in unterschiedliche Richtungen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Ich finde, dass Consulting und insbesondere Coaching nicht die Aufgabe haben soll, dem anderen (Firmeninhaber, Führungskraft, Teamleiter) zu sagen, was er zu tun hat. Sondern die Aufgabe in sich verspüren muss, dem anderen dabei zu verhelfen, jene Persönlichkeiten zu werden, die den Herausforderungen des Unternehmens gewachsen ist.
Insofern, wenn ich von Verantwortung spreche, meine ich damit den Auftrag, in dem anderen in erster Linie das Entwicklungspotenzial zu sehen. Den anderen zu fördern in seinen Ressourcen.
Geduld heißt dran bleiben
Und deswegen spreche ich auch von Geduld. Verstehen Sie, Sie können nicht den Anspruch erheben, Sie sagen etwas, und dann verändert sich etwas. Aber Geduld bedeutet, dran zu bleiben.
Unbeirrt dran zu bleiben, sich nicht beirren zu lassen. Und wenn man eine Einsicht in das Gute hat, dann muss man dranbleiben. Auch wenn die ganze Welt in eine andere Richtung geht, kann man nicht doch die Definition des Guten nach dieser falschen Richtung ausrichten.
Sondern dann muss man eben sagen, ja, man muss so lange für das Gute einstehen, bis die Einsicht da ist, auch bei den anderen. Und da darf man nicht nachlassen. Und ich sehe durchaus Potenzial.